Der Soldat an der Westfront – Der Einsatz von Flammenwerfern

„Was ist das? Hat sich die Hölle unter unseren Füßen geöffnet? Sind wir am Rand eines feuerspeienden Vulkans? Der Schützengraben füllt sich mit Flammen, Funken, beißendem Rauch, Atmen ist unmöglich. Ich höre fauchen, prasseln, und ach, ja, Schmerzensschreie.“ (Quelle 1: Louis Barthas: Poilu)

Mit diesen Worten beschreibt der französische Korporal Louis Barthas im Sommer 1915 einen Flammenwerferangriff der deutschen Armee an der Westfront. Erstmals 1914 in den Argonnen im Kampf eingesetzt, sollten die Flammenwerfer helfen, Bewegung in den festgefahrenen Stellungskrieg zu bringen. Dabei wurden sie gezielt zur taktischen Unterstützung der Stoßtrupps und für die lokale Verteidigung eingesetzt. Neben der physischen Zerstörung, hatten die Flammen vor allem eine große psychische Wirkung auf den Gegner. Sobald ein geplanter Flammenwerferangriff bekannt wurde, zogen sich die in Reichweite liegenden gegnerischen Truppen häufig zurück, wodurch günstigere Voraussetzungen für die angreifende Infanterie geschaffen wurden. So betont Bernhard Reddemann, welcher maßgeblich an der Entwicklung des Flammenwerfers für den Einsatz im Krieg beteiligt war, dass deren größte Wirkung in der „moralischen Erschütterung des Feindes“ lag, welche „[…] so groß war, daß dieser fast nie physischen Widerstand versuchte“. Desweiteren sei die moralverbessernde Wirkung der Flammenwerfer von großer Bedeutung für die eigene Infanterie, indem sie deren „Angriffsmut“ und „Siegeszuversicht“ steigerte. Reddemann, ehemaliger Branddirektor von Posen und Führer einer Landwehr-Pionierkompanie, begann 1907 mit der Entwicklung von Apparaten zum Verspritzen von flüssigem Feuer und entwarf ab 1912/13 Muster für zwei verschiedene Größen von Flammenwerfern. Durch sein Mitwirken an der Entwicklung dieser grausamen Nahkampfwaffe und der damit verbundenen militärischen Instrumentalisierung der Feuerwehr, ist er eine der umstrittensten Persönlichkeiten in der deutschen Feuerwehrgeschichte. Als Wiederentdecker (Quelle 2) und Erfinder des ersten modernen Flammenwerfers gilt allerdings der Berliner Ingenieur Richard Fiedler, welcher bereits um 1900 mit seiner Forschung an sogenannten „Brandröhren“ begann und Apparate zum Ausräuchern von Grabenwehranlagen herstellte. Ab 1914 arbeiteten Reddemann und Fiedler gemeinsam an deren Weiterentwicklung. Die dabei genutzte Technik war relativ einfach, sodass die Flammen mit geringem Aufwand erzeugt werden konnten. In einen Kessel mit leicht entzündlichem Flammenöl-Gemisch wurde mit sehr hohem Druck Stickstoff gepresst. Ein Ventil regelte das Austreten des Ölstrahls, welcher durch einen Zündapparat in Brand gesetzt wurde. Der dabei entstehende dichte, schwarze Rauch verstärkte die moralische Wirkung auf den Gegner. In Situationen, in denen die Gefahr bestand, dadurch von der feindlichen Artillerie zu früh bemerkt zu werden, nutzte man daher ein anderes Ölgemisch, welches nur einen dünnen, kaum sichtbaren Rauch erzeugte.
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Einsatz eines Flammenwerfers gegen einen Tank, „Frontkämpferwerk“, S. 192 (Quelle 3)

Am 18. Januar 1915 wurde ein Spezialverband aus 48 Pionieren, größtenteils ehemalige Feuerwehrmänner, unter dem Namen „Flammenwerfer-Abteilung Reddemann“ aufgestellt. Ihr erster Einsatz im Kampf erfolgte am 26. Februar 1915 bei Malancourt vor Verdun (Quelle 4). Trotz ihrer anfänglichen Zurückhaltung, forderte die Oberste Heeresleitung nach diesem ersten erfolgreichen Einsatz bis April 1915 die Aufstellung einer „Flammenwerfer-Kompanie“. In den folgenden Monaten kamen weitere Einheiten dazu, welche im April 1916 zum „Garde-Reserve-Pionier-Regiment“ zusammengefasst wurden und aus insgesamt über 3.000 Mann bestanden. Jede Kompanie war mit 30 bis 40 Kleinen Flammenwerfern und zwölf bis 15 Großen Flammenwerfern ausgerüstet (Quelle 5).

Das Aufrollen der Gräben durch die Flammenwerfer erfolgte durch eine ähnliche Taktik wie mit den Handgranaten. Vor dem Erstürmen durch den Stoßtrupp, wurde dabei der gegnerische Graben von, in der Regel paarweise eingesetzten, Flammenwerfern „ausgespritzt“ (Quelle 6). Obwohl durch den Einsatz der Flammenwerfer günstigere Angriffsbedingungen geschaffen wurden, führten sie zu keiner Wendung im Stellungskrieg und brachten zusätzliche Probleme und Gefahren mit sich (Quelle 7). Vor allem die größeren Modelle waren schwierig zu bedienen und benötigten zusätzliche Soldaten, die den Schutz der Bedienmannschaft gewährleisteten. Damit zog der Flammenwerfertrupp schnell die Aufmerksamkeit des Gegners auf sich und geriet häufig zuerst unter Beschuss. Eine Explosion des Ölkessels hatte dann nicht nur für die Mannschaft furchtbare Folgen, sondern auch für alle, die sich in der näheren Umgebung befanden. Diese Schwierigkeiten führten dazu, dass Frankreich und Großbritannien zwar auch bald eigene Forschungen anstellten und Flammenwerfer im Kampf testeten, diese aber schon bald wieder verwarfen.

Nach Ende des Ersten Weltkrieges wurde mit §171 des Versailler Vertrages die Herstellung und der Gebrauch derartiger Waffen zu Kampfzwecken verboten. Dieses Verbot führte allerdings nur dazu, dass in den folgenden Jahren bis zum Zweiten Weltkrieg die Weiterentwicklung des Flammenwerfers vor allem bei Tochterfirmen im Ausland durchgeführt wurde.

Sophie Richter, Dresden 2015

Literatur

Quelle 1: Louis Barthas: Poilu

Quelle 2: Thukydides: Der Peloponnesische Krieg

Quelle 3: Flammenwerfer im Frontkämpferwerk

Quelle 4: Bernhard Reddemann: Geschichte der deutschen Flammenwerfer-Truppe

Quelle 5: Kleiner Flammenwerfer – Großer Flammenwerfer

Quelle 6: Der Infanterie-Nahkampf. Ein Lehrfilm

Quelle 7: Erich Maria Remarque: Im Westen nichts Neues


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