Emigrationsgründe sind so vielfältig wie die einzelnen Individuen und den natürlichen und gesellschaftlichen Einflüssen, denen er ausgesetzt ist. Um diese Gründe beschreiben zu können, müssen wir nach den Motiven der Emigranten fragen, die Umwelteinflüsse miteinbeziehen und die Frage nach der Notwendigkeit stellen. Der Verlust des alten Lebensraumes oder die Veränderungen der politischen Verhältnisse und der Kampf um eine neue Existenz fordern den Emigranten viel ab. Bei den Emigrationsgründen muss daher unterschieden werden zwischen einer freiwilligen Migration und einer erzwungenen Emigration.
Unter freiwilliger Migration werden die Gründe aufgeführt, die ohne äußeren oder inneren Druck oder einer existenziellen Notwendigkeit folgen. Viele hochqualifizierte Wissenschaftler und Gelehrte emigrierten für eine Zeitspanne oder auf Dauer, um ein gutes Stellenangebot anzunehmen oder einem Ruf an eine Universität im Ausland zu folgen. Auch für eine spezielle Ausbildung/ Studium oder das Ausüben einer Arbeit kann eine Übersiedlung vonnöten sein. Dann gibt es diejenigen Migranten, die sich durch eine Migration ein wirtschaftlich besseres, freieres oder erfüllteres Leben erhoffen, als es in der Heimat möglich ist. Religionsfreiheit, eigener Landbesitz und die Möglichkeit als freier Mensch sein eigenes Glück zu machen, lockten früh viele Europäer nach in die überseeischen Kolonien. (Durch Erbteilung, Missernten oder Überbevölkerung kam es seit dem 15. Jahrhundert immer wieder zu Migrationswellen. Es gab zudem Migranten, die ihrer Familie in die Ferne folgten.) Sie fühlten sich in der alten Heimat allein und wurden von Erzählungen der Angehörigen im Ausland ermuntert auch zu gehen.
Die erzwungene Emigration betrifft Individuen und Bevölkerungsgruppen, die aufgrund von Religion, Ethnie, politischer Überzeugung in ihrer Gesellschaft und Umwelt nicht mehr geduldet werden. Das verursacht die Unmöglichkeit eine Existenz zu finden oder zu bewahren, eine Notlage, aus der man sich zu befreien versucht. Ebenso wird durch wirtschaftliche und existenzbedrohliche Krisen wie z.B Hungersnöte, Kriege oder Naturkatastrophen die Emigration von ganzen Völkern erzwungen.
Zudem kann hier die Verschleppung oder die zwangsweise Verbringung von Menschen in andere Gebiete oder Länder aufgezeigt werden. (So z.B. der transatlantische Sklavenhandel vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, oder die Verschiffung von Strafgefangenen aus dem England des 18. Jahrhunderts nach Australien, um dort die Länder der neuen Kolonie urbar zu machen. )
Die direkte Abhängigkeit von Frauen und Kindern an ein Familienoberhaupt, das sich zur Emigration entschieden hat, erzeugen auf diese auch den Zwang zur Emigration.
Die NS-Diktatur hat nach der Machtübernahme 1933 systematisch eine Gesetzgebung im Deutschen Reich geschaffen, die das Leben aller politischer Gegner, Angehöriger der Sinti und Roma und der jüdischen Bevölkerung maximal erschwerten, bzw. eine Existenz in Deutschland unmöglich machten.
Die NS-Diktatur unterdrückte diese Menschen auch durch: rohe Gewalt, wirtschaftlichen Boykotte, Abschneiden jeder Existenzmöglichkeit und Diffamierung. Das erste Rassengesetz der NS-Diktatur war das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933. Alle „nichtarischen“ Beamten wurden in den Ruhestand versetzt lediglich Kriegsveteranen aus dem Ersten Weltkrieg waren zu Beginn ausgenommen. Dieses Gesetz betraf auch viele Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter an deutschen Universitäten und Hochschulen (für Details siehe Grüttner & Kinas (2007) und dort genannte weiterführende Literatur). Durch die Kontakte und Kommunikation mit Kollegen im Ausland, die schon in den 20er Jahren migriert waren, fanden einige Gelehrten eine Option der Situation zu entkommen. Die frei gewordenen Stellen wurden mit politisch linientreuem Personal besetzt, um diese wirtschaftlich zu versorgen und ihre Gefolgschaft in der Zukunft zu sichern. Im Umkehrschluss erwarben diese Linientreuen an Ansehen, je rigoroser sie gegen die "unerwünschten" Kollegen vorgingen. Am 15. September 1935 wurden dann die sog. Nürnberger Gesetze erlassen, das Reichsbürgergesetz, das „Blutschutzgesetz“ und das „Reichsflaggengesetz“. Eine Zweiklassengesellschaft "Reichsbürger" vs. "Angehörige rassefremden Volkstums" wurde damit definiert. Im Laufe der folgenden Jahre wurden den Juden und den Sinti und Roma u.a. die Staatsangehörigkeit aberkannt, Berufsverbote erteilt, das Vermögen eingezogen und Besitz enteignet. Der Zugang zu Nahrung, Kleidung und Waren des täglichen Bedarfs wurden streng rationiert. In der Hoffnung auf ein besseres Leben in anderen Ländern, auch aufgrund von irrigen Gerüchten über die Möglichkeiten dort, flüchteten viele der Verfolgten aus Deutschland. Eine reguläre Ausreise war wegen ihrer Staatenlosigkeit und zunehmender Auflagen (Visum) oft nicht mehr möglich.
Das Schicksal und die Zukunft der Kinder war auch ein Grund zur Emigration. Schule und Ausbildung war ihnen verwehrt worden, es gab keinerlei beruflichen Perspektiven. Ein Numerus Clausus beschränkte auch die Zahl der jüdischen Studenten, bis Juden zuletzt jeglicher Schul- und Universitätsbesuch untersagt wurde. Viele jüdische Kinder wurden von ihren Eltern über Hilfsorganisationen aus Deutschland verschickt und so vor dem Tode gerettet.
Dennoch war die erfolgreiche Emigration in das europäische Ausland kein Garant für ein sorgloses Leben. Die Geheime Staatspolizei „Gestapo“ des NS-Regimes überwachte besonders politische Emigranten im Ausland, entführten diese oder verübten sogar Mordanschläge (wie bei Theodor Lessing). Daheim gebliebene Angehörige wurden verhaftet, um Regimekritiker im Exil mundtot zu machen.
Die Emigrationswellen kann man an den terroristischen Begleiterscheinungen des NS-Regimes im Dritten Reich festmachen. Zuerst bei der „Machtergreifung“ 1933 (ca. 38.000 Juden), emigrierten bei den Erlassen der „Nürnberger Gesetze“ 1935 (ca 40.000 Juden) und als ab 1937 (ca. 40.000 Juden) aus der Diskriminierung der Juden Verfolgung durch den Staat wurde. Die Deportation der polnischen Juden und die Pogromnacht am 9. November 1938 führte zur Auswanderung von 80.000 jüdischer Emigranten. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges war die Möglichkeit der offiziellen Emigration zum Erliegen gekommen, die Ausländischen Botschaften waren vielerorts geschlossen und es gab keine Reisemöglichkeiten mehr.
Benz, Wolfgang. Die jüdische Emigration. In: Claus-Dieter Krohn u.a. (Hrsg). Handbuch der deutsch-sprachigen Emigration 1933-1945, Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft, 1998 (Reprint 2006): 5-15.
Grüttner, Michael & Sven Kinas: Die Vertreibung von Wissenschaftlern aus den deutschen Universitäten 1933-1945, Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 55, 2007, 123-186.