Mythos Bombe

Japans Lage Kapitulation Mythos Bombe

Dass es auch 50 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in den USA immer noch nicht möglich war, der breiten Öffentlichkeit eine historisch fundierte, ausgewogene und multiperspektivische Darstellung der Geschichte um die beiden Atombombenabwürfe über Japan im Sommer 1945 zugänglich zu machen, zeigt die Kontroverse um die Ausstellung mit dem Titel ''The Last Act: The Atomic Bomb and the End of World War II'' am National Air and Space Museum (NASM) in Washington D.C.

Das NASM ist eines von 14 Smithonian Museen, gelegen an der National Mall, der zentralen nationalen ''Gedenkmeile'' in der Hauptstadt der USA. Die Smithonian Institution ist die größte wissenschafts- und technikhistorische Institution der USA.

Zentrales Ausstellungsobjekt sollte der restaurierte vordere Rumpf des B-29 Superfortress Bombers sein, der bei der Atombombenmission nach Hiroshima am 6. August 1945 geflogen wurde. Die ''Enola Gay''. Darüber hinaus waren fünf ausführliche thematische Sektionen geplant.

Sektion 1 ''A Fight to the Finish'' sollte u.a. den Krieg im Pazifik als einen bitteren Kampf mit von beiden Seiten rassistischen Konnotationen kennzeichnen. In Sektion 2 ''The Decision to Drop the Bomb'' wurde der Abwurf der Atombomben nicht explizit kritisiert. Dennoch wurden Fragen formuliert wie ''Would the war have ended sooner if the United States have guaranteed the Emperor's position? Oder ''How important was the Soviet Factor in the Decision to drop the Bomb?''. Die umfangreichste Sektion 3 ''Delievering the Bomb'' betonte die technologische und operative Genialität der Air Force und den Mut ihrer Piloten.

Für viele Kritiker der Ausstellung am wenigsten zu akzeptieren war Sektion 4. In ihr wurde gleichsam ein Perspektivenwechsel vom Flugzeug auf den Boden vollzogen. Unter den Überschriften ''Before the Bomb: Two Cities at War'', ''The Incredible Avalanche of Light'', ''Two Cities in Chaos'' und ''A Deadly New Threat: Radioactivity'' wäre, so der Plan, mit teilweise lebensgroßen Bildern, mit denen der Besucher konfrontiert werden sollte, das unvorstellbare Leid der Menschen in Hiroshima und Nagasaki nach den Atombombenabwürfen dargestellt worden. Sektion 5 schließlich, ''The Legacy of Hiroshima and Nagasaki'' sollte auf die Kapitulation Japans und den Beginn des Kalten Krieges und des atomaren Wettrüstens eingehen. (Vgl. Kohn 1996, Seite 151-153).

Die Vorgeschichte dieser Ausstellung beginnt bereits Mitte der 1980er Jahre als Kriegsveteranen, vorwiegend aus der 509th Composite Group, deren Kommandeur Paul Tibbets die Enola Gay am 6. August 1945 flog, in mehreren Kampagnen forderten, das Flugzeug, das sich seit 1949 im Besitz der Smithonion Institution befindet, zu restaurieren und auszustellen. Ab 1985 begann die Smithonian damit, dieses Schritt für Schritt zu tun.

1987 wurde Martin Harwit, ein anerkannter Astrophysiker von der Cornell University, Direktor des NASM. Er gab dem Museum insgesamt eine wissenschaftlichere Ausrichtung und band die bereits begonnene Restaurierung der ''Enola Gay'' in das oben beschriebene Ausstellungskonzept ein. Wichtig für ihn war, dass neben den Aspekten des Gedenkens auch die Ergebnisse der neueren historischen Forschung in die Ausstellung mit einfließen. Im Nachhinein muss man sicherlich Robert McCormick Adams, Secretary der Smithonian bis 1994, mit dem Harwit 1993 über die Hauptrichtung der Ausstellung debattierte, Recht geben. Adams zweifelte: ''Do you want to do an exhibition intended to make veterans feel good, or do you want an exhibition that will lead our visitors to think about the consequences of the atomic bombing of Japan? Frankly, I dont think we can do both.'' (siehe Kohn 1996, Seite 146) Harwit wollte beides und hatte Adams Unterstützung.

Anfang 1994 entstand das vorläufige Skript zur Ausstellung, welches in der Folgezeit mehrere Revisionen erfuhr. Harwit war durchaus darauf bedacht, auf mögliche Einwände einzugehen. Es wurden verschiedene Veteranenorganisationen und andere relevante Kreise mit dem Erhalt des Skripts in die Planung der Ausstellung mit einbezogen. Am 1. April 1994 publizierte die Air Force Association (ASA) im Air Force Magazine den Artikel ''War Stories at Air and Space'' in dem sie den Ausstellungsentwurf auf das Schärfste kritisierte. Zum einen wurde der ''politisch-revisionistische'' Charakter der Ausstellung angeprangert, zum anderen ein fehlendes ehrendes Gedenken festgestellt.

Harwit installierte daraufhin ein unabhängiges ''Tiger Team'' um mögliche Ungleichheiten im Skript zu beseitigen. Nach weiteren Besprechungen, auch im U.S. Repräsentantenhaus, folgten starke Einwände von mehreren Kongressmitgliedern, die teilweise mit Bestürzung auf die geplante Ausstellung reagierten. Die ''American Legion'', eine Veteranenorganisation der Army mit sehr starken Verbindungen in die U.S. Politik, forderte im Januar 1995 die Aufhebung der geplanten Ausstellung. Tage später votierten 81 Mitglieder des Repräsentantenhauses für den Rücktritt von Martin Harwit als Direktor des NASM und forderten Anhörungen vor dem Kongress über die Ausstellung.

Im Verwaltungsrat der Smithonian Institution sind jeweils drei Mitglieder des U.S. Senats und drei Mitglieder des Repräsentatenhauses vertreten. Das Budget der Smithonian besteht zu ca. 77 Prozent aus öffentlichen Geldern. In der politischen Konstellation Anfang 1995 ergab sich eine Besetzung von 4 Mitgliedern der republikanischen Partei im Rat.

Michael I. Heyman, der vier Monate zuvor als als neuer Sekretär das Amt von Robert McCormick Adams übernahm, sah sich gezwungen, am 30. Januar 1995 die Aufhebung der ursprünglich geplanten Ausstellung bekanntzugeben. Stattdessen sollte nur der unkommentierte restaurierte Rumpf der ''Enola Gay'' ausgestellt werden. Von 1995 bis 1998 war das Flugzeug unter dem Ausstellungstitel ''Enola Gay'' auf diese Weise (mit Teilen des Hecks) im NASM zu sehen.

Am 2. Mai 1995 trat Martin Harwit als Direktor des NASM zurück.

Dieses Beispiel macht sicher deutlich, wie der ''Mythos Bombe'', nach dem der Einsatz der Atombomben über Japan den Krieg beendet hat und Millionen Leben rettete, auch 50 Jahre später nicht an Kraft verloren hat. Der Einfluss von Lobbyorganisationen in die Politik einerseits, sowie der Einfluss der Politik in den öffentlichen Museumsbetrieb andererseits trugen hier maßgeblich dazu bei.

(Abb. in Harwit 1996, Seite 405)

 

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Letzte Änderung: 12.01.12 - DO