Universität Stuttgart Abteilung Wirkungsgeschichte der Technik, Seite 12

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Kriegskrüppel mit Spätfolgen durch Gasvergiftungen wurden kaum akzeptiert

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs mussten Tausende wegen Gasverwundungen behandelt werden und benötigten medizinische Fürsorge noch für Jahre, während weitere Tausende, die anscheinend geheilt waren, fürs Leben gezeichnet waren. Sie wurden sehr leicht Opfer von Bronchitis, tendierten zu Asthma und waren oft unfähig zur Arbeit wegen Hals- oder Lungeninfektionen. Eine schwierige Gasverletzung ließ einen Mann weniger fähig zu einer ermüdenden Tätigkeit in einer staubigen oder feuchten Atmosphäre sein, wie sie im industriellen England oder im Ruhrgebiet in Deutschland anzutreffen war. Bronchitis war dabei eine allgemeine Krankheit, oft zusammen mit Lungenentzündungen oder Herzbeschwerden. Die Verbindung zwischen dem Gas als Ursache und der Krankheit als spätere Wirkung konnte nicht nachgewiesen werden. Trotzdem glaubten die Betroffenen ans Gas als Ursache für die spätere Krankheit.26

Die Ärzte beschäftigten sich neben den Folgen der akuten Vergiftungen zunehmend mit dem Problem der Spätfolgen der Gasvergiftungen: In den Stellungnahmen und Schlussfolgerungen ging es neben dem medizinischen Sachverhalt oft um das Problem der Rentenversorgung für die Gasopfer. Aus den amerikanischen Erfahrungen zeigte sich ein ursächlicher Zusammenhang zwischen chronischer Bronchitis, Lungenemphysem, Lungen- Fibrose, Bronchialasthma und nervösen Symptomen mit einer vorangegangenen Phosgenvergiftung, sowie chronische Konjunktivitis, Bronchitis, Pleuritis und Emphysem mit vorangegangener Chlorgas- und Senfgasvergiftung. Trotzdem diese Spätfolgen nicht zu negieren waren, wurde von deutschen Ärzten dieser Zusammenhang unterschiedlich akzeptiert und dadurch den Patienten und Kriegsteilnehmern unterstellt, sich leicht eine Rente verschaffen zu wollen.27



26 Vgl. Haber, Ludwig F.: The poisonous cloud: chemical warfare in the First World War. Oxford. 1986. S. 257- 258.
27 Vgl. Kästner, Ingrid: Die medizinische Diskussion über die Gaskriegsfolgen des Ersten Weltkrieges. In: Winau, Rolf (Hrsg.): Medizin für den Staat- Medizin für den Krieg: Aspekte zwischen 1914 und 1945; gesammelte Aufsätze. Husum. 1994. S. 48.- 49.

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Martin Gutmann


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