1.3. Absturzgefahr

Lesen Sie den Textausschnitt. Was schätzen Sie als größte Gefahr für Piloten im Ersten Weltkrieg ein und was war deren Ursache?

Abstürze in Krieg und Frieden

„Die Wahrnehmung und Darstellung etwa von Abstürzen, von Flugunfällen in Krieg und Frieden und von Abschüssen im Krieg, ähneln sich sehr. Zum einen war, wie schon beschrieben, die frühe Fliegerei ausgesprochen unfallträchtig. Bruchlandungen, Unfälle, Abstürze waren Teil der Flieger-sozialisation. Da sie oft direkt vor dem zuschauenden Massenpublikum erfolgten, waren auch die Zuschauer mit dieser Komponente der Fliegerei vertraut – das Absturzrisiko war, wie beschrieben, eine nicht zu unterschätzende Motivation eines sensationshungrigen Publikumsinteresses. Während des Krieges blieb die Unfallrate, die Verluste an Maschinen und Fliegern, auch ohne Feindeinwirkung hoch. Ich kenne keine erinnernde Schilderung eines Kriegspiloten, der nicht von Start- und Landeunfällen, Zusammenstößen in der Luft, fatalen Motorpannen oder missglückten Außenlandungen berichtet. Verlässliche Zahlen sind schwer zu bekommen, aber das Risiko für einen Piloten bei einem „normalen“ Unfall außerhalb einer Kampfsituation verletzt oder getötet zu werden, lag durchaus in der Größenordnung des Risikos bei Luftkämpfen etwa an der Ostfront. Fliegen war vor dem Krieg eine der gefährlichsten Aktivitäten; während des Ersten Weltkrieges blieb das so, und zwar auch ohne feindliche Aktivitäten. Von den Verlusten des deutschen fliegenden Personals kam eine knappe Hälfte ohne Feindeinwirkung ums Leben. Es fielen 6.840 Angehörige des fliegenden Personals; außerdem wurden 1400 Flieger vermisst. Wenn man letztere außer Acht lässt, dann wurden in der Heimat 1800 Männer des fliegenden Personals getötet, davon 98% bei der Ausbildung. Von den 3200 toten der Fliegenden im Felde kamen 1450 ohne Feindeinwirkung ums Leben. Die offizielle Zahl der im Luftkampf Gefallenen war vergleichsweise gering; sie lag bei 1420, davon 710 Beobachter. Die Vergleichszahlen der Ententemächte dürften etwa in dieser Größenordnung gelegen haben. Für die Verluste der US-amerikanischen Flieger gibt es genauere Zahlen. In der relativ kurzen Zeit zwischen ihrem Kriegseintritt und dem November 1918 gab es während der Ausbildung allein 500 Tote, das waren doppelt so viele, wie an der Front starben. Und auch dort ist eine beträchtliche Zahl von Unfalltoten von den Gesamtverlusten abzuziehen. Kurz gesagt: Die Ausbildung zum Flieger in der US-Armee war statistisch gefährlicher als der Fronteinsatz. Ein britischer Flugschüler wurde von seinem Lehrer gewarnt, wenn er die Ausbildung für zu gefährlich halte, dann solle er sie abbrechen, denn die Risiken würden „sich verhundertfachen, wenn er nach Frankreich kommt.“ Das war nicht so. Der Tod durch einen Unfall und der Tod durch einen Abschuss waren, zumindest vom Risikograd her gesehen, kaum verschieden. Luftkämpfe bewirkten zwar eine weitere Risikosteigerung, doch das bloße Risiko des Fliegens blieb stets auf der Höhe des Risikos des Kämpfens. Piloten stürzten mit hoher Frequenz auch ohne Feindeinwirkung ab. Paul Klee, zu dessen Aufgaben in der bayerischen Fliegerschule die Dokumentation von Unfällen gehörte, schilderte ironisch einige übliche Vorfälle: „Diese Woche hatten wir hier drei Tote, einer wurde vom Propeller bearbeitet, zwei derhutzen sich. Ein Vierter sauste gestern mit Krach und Riß und Schurf aufs Dach der Werft. Zu tief geflogen, an einer Telegraphenstange hängen geblieben, auf dem Dach einmal aufgehupft und überpurzelt und verkehrt liegen geblieben wie ein Trümmerhäufchen.“

Quelle: Kurt Möser, Fahren und Fliegen in Frieden und Krieg. Verlag Regionalkultur, Mannheim 2009, S. 522.

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Erstellt von Achim Messer.


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