Um einen ersten Überblick zu bekommen, lohnt sich ein Blick auf die aller Emigranten aus Deutschland und Österreich. Interessant ist hier zu sehen, dass prozentual viel mehr Person aus Österreich emergierten. Eine mögliche Erklärung wäre, dass in Österreich der Nationalsozialistische Terror nicht über Jahre hinweg eskalierte, wie in Deutschland, sondern schlagartig mit dem Anschluss eintraf. Zu den Daten muss man noch hinzufügen, dass Zahlen der Emigrierten Schätzungen sind und die Zahlen der Bevölkerung im Deutschen Reich von der Volkszahlung vom 16. Juni 1933 stammen. Es könnte also sein, dass schon Personen vorher aufgrund des erstarkenden Nationalsozialismus emigriert sind; diese wären hier nicht mehr mitgezählt.
Diese Karten stellen dar, wie viele Juden aus Deutschland in den jeweiligen Ländern, ab dem Jahr 1933, aufgenommen wurden. Die Zahlen haben keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, da die Quellenlage ziemlich ungenau ist. Auch können Personen mehrfach registriert worden sein, wenn sie sich zum Beispiel, in einem Land auf der Durchreise befanden, um zu ihrem endgültigen Ziel zu kommen. Bekanntes Beispiel hierfür ist Kuba, welches ein Transitland für die USA war.
Hier wird dargestellt, wie viele Hochschullehrer die deutschen Hochschulen während der Zeit des Nationalsozialismus verließen. Hierbei muss man erwähnen, dass dieser Prozentsatz von Universität zu Universität anders war. Weltoffenere Universitäten mussten zum Teil mehr Personen entlassen, da an diesen Universitäten mehr Personen lehrten, die von den Nationalsozialisten nicht geduldet wurden, als Universität die schon vor 1933 darauf achteten, dass nur Personen lehren dürfen, die den nationalsozialistischen Ideen passten. Auch sind manche Hochschullehrer aus eigenen Gründen gegangen. (vgl. dazu Grüthner/Kinas 2007)
Diese und folgende Statistiken wurden von Maja Lichman zu Verfügung gestellt. Die Daten sind aus einem Datensatz mit 7871 Einträgen der unter anderem auf dem Biographisches Handbuch der Deutschsprachigen Emigration nach 1933 basiert und wurde von Frau Lichman ergänzt.
An dieser Statistik kann man gut erkennen, dass jedes Mal, wenn die Nationalsozialisten an die Macht kamen, die Anzahl der Personen, die das Land verließen, stark anstieg. So sieht man es 1933 mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Deutschen Reich, 1938 mit dem Anschluss Österreichs und 1939 mit der Einnahme der Tschechoslowakei .
Hier wird dargestellt, wie oft die Personen die Länder wechseln mussten. Die mehrmalige Emigration kann mehrere Möglichkeiten haben. Viele emigrierten vom Deutschen Reich in ein anderes deutschsprachiges Land. Wenn die Nationalsozialisten in diesem Land dann auch an der Macht waren, wie zum Beispiel 1938 in Österreich, mussten manche Personen nochmal die Anstrengungen von vorne auf sich nehmen. Aber auch begrenzte Aufenthaltsgenehmigungen oder begrenzte Aufnahmen im gewünschten Land, so dass man längere Zeit in einem Transitland warten musste, können mögliche Erklärungen sein.
Hier kann man erkennen, dass gerade die Personengruppe von Mitte 20 bis Mitte 40 am meisten emigrierte. Das macht auch Sinn, da diese noch eine Zukunft mit potenziellen Arbeitsmöglichkeiten hatten und deshalb auch im Ausland gebraucht werden konnten. Diese konnten sich von dem Geld, was sie dort verdienten, relativ schnell wieder ein neues Leben aufbauen. Das ist gerade für ältere Personengruppen schwieriger, da hohes Alter eher ein Problem auf dem Arbeitsmarkt darstellt, womit ich mir hier die abnehmenden Zahlen erklären kann. Die niedrige Emigration bei den Anfang Zwanzigjährigen ist für mich dadurch zu erklären, dass diese Personengruppe zu diesem Zeitpunkt in der Berufsausbildung waren, sei es durch Studium oder anderweitig. Die Kinder und Jugendlichen emigrierten entweder durch Hilfsorganisationen oder gingen mit ihren Eltern mit.
Diese Statistik zeigt die Verteilung der Berufsgruppen unter den Emigrierten. Wenn man nur die Berufsgruppen ansieht, liegen die Zahlen der Emigranten, relativ nahe beieinander.
Wenn man allerdings die einzelnen Berufsgruppen in Disziplinen aufspaltet, wird deutlich, dass viele Disziplinen deutlich weniger vertreten sind als andere. Mögliche Erklärungsansätze wären einerseits, dass das Biographisches Handbuch der Deutschsprachigen Emigration nach 1933 in diesen Disziplinen, möglicherweise einen blinden Fleck hat und einfach kaum Personen aus diesen Disziplinen gefunden hat. Andererseits wäre es möglich, dass der Anteil von verfolgten Personen in diesen Disziplinen schon vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten klein war. Dies wäre ein ähnlicher Erklärungsansatz wie bei den Hochschullehrern unter Punkt drei.
Auch die Bestimmung genauer Remigrationszahlen ist schwierig und die Gründe dafür sind vielfältig. Die Rückkehr der Emigranten zog sich über sehr lange Zeiträume, was eine genaue Definition von Remigration erschwert. Auch sind manche Personen nur zeitweise nach Deutschland zurückgekehrt. Zudem kommt hinzu, dass viele Unterlagen in den Nachkriegswirren verlorengingen, was die Erhebung genauerer Zahlen erschwert.
Was hier noch hervorsticht ist, dass prozentual deutlich mehr Personen aus dem Datensatz remigrierten verglichen mit den Insgesamt-Zahlen der Remigrierten. Ein möglicher Erklärungsversuch hierfür wäre, dass ein ziemlich großer Teil der Personen aus dem Datensatz aus den Berufsgruppen Geisteswissenschaften und Kunst (Sprache) sind. Diese waren von der deutschen Sprache deutlich abhängiger und hatten es im nicht-deutschsprachigen Exil deshalb schwerer, eine Arbeitsstelle oder wissenschaftlichen/intellektuelle Anerkennung zu bekommen. Somit wäre es möglich, dass es gerade diese Personengruppen nach dem Krieg wieder nach Deutschland zog. Trotzdem muss man sagen, dass auch die 14,7% Remigrationsquote nicht besonders hoch ist, was bedeutet, dass selbst diese Gruppen lieber im Ausland blieben.
Zahlen und Statistiken helfen, ein großes und komplexes Thema wie die Emigration anschaulicher und somit verständlicher darzustellen. Trotzdem muss man sich immer vor Augen halten, dass die Quellenlage zur Emigration sehr lückenhaft ist. Manche Themenbereiche sind stärker bearbeitet als andere. Ein weniger beleuchtetes Themen wäre beispielsweise das Exil von Handwerkern und Technikern, wozu es kaum Zahlenmaterial gibt. Selbst bei Themen, zu denen es Zahlenmaterial gibt, basieren viele Angaben auf Schätzungen, da die Quellenlage aus einer so turbulenten Zeit sehr schwierig ist. Wenn man jedoch mehr Informationen zu diesen besser beleuchteten Themenbereichen möchte, lohnt sich ein Blick auf die einzelnen Disziplinen zu werfen und gegeben falls die Betrachtung von Einzelschicksalen.
Broek Gertjan: Die (fehlenden) Möglichkeiten zu flüchten. Jüdische Emigration 1933-1942. In: Anne Frank House. URL: https://www.annefrank.org/de/anne-frank/vertiefung/die-fehlenden-moglichkeiten-zu-fluchten-judische-emigration-1933/ (Zuletzt abgerufen: 24.10.2024, 18:00Uhr)
Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.):Exilländer jüdischer Flüchtlinge aus dem Deutschen Reich ab 1933. In: Bundeszentrale für politische Bildung. URL: https://www.bpb.de/fsd/centropa/exillaender_welt.php (Zuletzt abgerufen: 24.10.2024, 18:00Uhr)
Grüttner, Michael & Kinas, Sven: Die Vertreibung von Wissenschaftlern aus den deutschen Universitäten 1933-1945. Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 55, 2007, S. 123-186.
Krohn, Claus-Dieter: Emigration 1933-1945/1950. In: Europäisch Geschichte Online. URL: https://www.ieg-ego.eu/de/threads/europa-unterwegs/politische-migration/claus-dieter-krohn-emigration-1933-1945-1950. (Zuletzt abgerufen: 24.10.2024, 18:00Uhr)
Statistik Austria (Hrsg.): Historische Volkszählungen. In: Statistik Austria. URL: https://www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/bevoelkerung/bevoelkerungsstand/historische-volkszaehlungen (Zuletzt abgerufen: 24.10.2024, 18:00Uhr)
Statistisches Reichsamt (Hrsg.): Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich, Berlin 1933. Digitalisat von Statistische Bibliothek. URL: https://www.statistischebibliothek.de/mir/servlets/MCRFileNodeServlet/DEHeft_derivate_00070381/1933gesamt.pdf (Zuletzt abgerufen: 24.10.2024, 18:00Uhr)