Emigration und Exil von Wissenschaftlern und Ingenieuren 1930-1950


Antisemitismus an Universitäten



Inhaltsverzeichnis

Deutschland
Österreich
USA
Benutzte Literatur

Schon bevor die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht kamen, waren bereits antisemitische Ideologien an den Hochschulen fester Bestandteil. Aber selbst in anderen Ländern, wie Österreich und den USA konnte man gegen Juden gerichtete Maßnahmen an Universitäten vorfinden. Dennoch muss man bei deren Betrachtung zwischen den Aktivitäten der Studentenschaft, dem Verhalten der Gelehrten und den eigentlichen Maßnahmen der Universität jeweils unterscheiden.



Deutschland



Stellvertretend für Deutschland bietet die aufgearbeitete Geschichte der Universität Tübingen in der Zeit des Nationalsozialismus einen Einblick über den systematischen Antisemitismus an deutschen Hochschulen. Tatsächlich gehört Tübingen zu den Universitäten, welche bereits vor 1933 die „Judenfrage als gelöst“ ausgerufen hatte. Hierzu wurden Beispielsweise durch die Leitung der Universität im Jahr 1922 rassistische Kriterien bei der Zulassung von Studenten definiert: (Das akademische Rektorat nimmt insofern Einfluss auf die Zusammensetzung der Studentenschaft, als es, wenn irgend möglich, rassefremde Ausländer (namentlich Ostjuden) nicht zulässt und deren Deutschstämmigkeit, wenn sie behauptet wird, verneint.).
Von der studentischen Seite wurden antisemitische Zusammenschlüsse und Aktivistengruppe gegründet, welche ab 1926 durch den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB; auch NSD-Studentenbund) übernommen wurden. Von solchen Gruppierungen aus begannen zunehmend aktive Verfolgungen gegen jüdische Studenten und Angestellten an Universitäten. In Tübingen rannten ab 1933 Studenten vielerorts Türen ein und es kam immer wieder zu Gewaltausschreitungen.
Zusätzlich erhielten ab dem Sommersemester 1933 an der Universität Tübingen jüdische Studenten keine Stipendien mehr und sie durften auch die Mensa nicht mehr betreten. Des Weiteren wurde im gleichen Sommer durch Juristen festgelegt, dass nur diejenigen jüdischen Studenten zur Promotion zugelassen wurden, welche die Voraussetzungen für eine Karriere im öffentlichen Dienst erfüllten. Zu Beginn des Wintersemesters 1935/36 waren an der Universität Tübingen keine Juden mehr immatrikuliert. Der letzte jüdische Student, der Mediziner Ulrich Sander, emigrierte nach Palästina.
Parallel dazu wurden insgesamt acht Professoren, Dozenten und Assistenten wegen „nichtarischer" Herkunft entlassen. Darunter befand sich beispielsweise auch der spätere Nobelpreisträger Hans Bethe, welcher zunächst nach England und dann später in die USA emigrierte.
1936 gab es an der Universität Tübingen eine Forschungsabteilung für die (Judenfrage des Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutschland), welche von der Presse damals als Beweis betitelt wurde, dass (der Antisemitismus keine Sache des Radaus, sondern eine Sache ernster wissenschaftlicher Erkenntnis) sei.
Neben zahlreichen Professoren, die die Rassepolitik wissenschaftlich zu legitimieren versuchten, gab es Personen wie der Rassebiologe Hans Fleischhacker, welcher im Zuge seiner Habilitation an den Fingerabdrücken von Juden forschte und an einer jüdische Skelettsammlung aus Auschwitz plante.



Österreich



Ein ähnliches Muster lässt sich in der Wiener Universität in Österreich feststellen. Während des ersten Weltkrieges führen Anthropologen an der Universität Versuche zur „Rassenzugehörigkeit“ an Kriegsgefangenen durch. Rudolf Pöch nahm in Zuge dieser Versuche an jüdischen Gefangenen Abmessungen vor und machte Gipsabdrücke und Fotografien von deren Gesichtern.
Nach dem ersten Weltkrieg gab es einen Zustrom an jüdischen Studierenden aus dem Osten. Zur gleichen Zeit entstand ein Kriegsstudententum, das an den Universitäten mit wenigen Seminaren, Kohlemangel für die Beheizung, Inflation, Wohnungsnot und Hunger zu kämpfen hatte. Der Zustrom an flüchtenden jüdischen Studenten führte dann zu einem steigenden Antisemitismus unter den heimischen Studenten, die bald darauf durch Proteste den beschränkten Zugang jüdischer Studierender verlangten. Ab da an stiegen auch die Fälle von aktiver Behinderung von Professuren von jüdischen Antragstellern in der Nachkriegszeit.
Auch nachdem der NSD-Studentenbund in Österreich aktiv wurde, gab es zunehmend gewalttätige Übergriffe gegenüber Juden an Universitäten. Dies wurde international bekannt, wobei die New-York-Times mehrere Artikel dazu verfasste.
Allgemein entstand an den Universitäten in Österreich nach dem ersten Weltkrieg eine „Etablierte/Außenseiter-Situation“, die zu einem sich immer mehr eskalierenden Konflikt zwischen Juden und Nicht-Juden geführt hatte. (für Details siehe Elias & Scotson (1990) und dort genannte weiterführende Literatur).



USA



Auch in den USA findet man Spuren von Antisemitismus an den Universitäten. Ebenfalls nach dem ersten Weltkrieg und dem einhergehenden Flüchtlingsstrom wurden öffentlich judenfeindliche Äußerungen getätigt. Der Anstoß dazu kam unteranderem durch die Kampagne von Henry Ford 1920. Dieser veröffentlichte in seiner eigenen gegründeten Zeitung „The Dearborn Independent“ einen Abriss der „Protokolle der Weisen von Zion“ und untermauerte diese mit seinen eigenen Theorien noch zusätzlich in seinem Buch „Der Internationale Jude“, das hunderttausend Auflagen hatte und damit den Antisemtismus in den USA stärkte.
In Folge dessen führte man 1925 in Hochschulen wie Yale ein diskriminierendes Aufnahmesystem ein, das Kinder von jüdischen Absolventen benachteiligte und die Zahl derer begrenzte.



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Benutzte Literatur



Elias, Norbert & Scotson, John: Etablierte und Außenseiter. Frankfurt 1993.
Grüttner, Michael: Studenten im Dritten Reich. Paderborn 1995.
Hammerstein, Notker: Antisemitismus und deutsche Universitäten. 1871-1933. Frankfurt am Main 1995.
Hammerstein, Notker: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. Wissenschaftspolitik in Republik und Diktatur. 1920 – 1945. München 1999.
Jarausch, Konrad: Deutsche Studenten. 1800 – 1970. Frankfurt am Main 1984.
Jarausch, Konrad: Universität und Nationalsozialismus. Aspekte einer erschreckenden Beziehung. In: Fritz, Regina; Rossoliński-Liebe, Grzegorz; Starek, Jana (Hrsg.): Alma mater antisemitica. Wien 2016. S. 21-36.
Kampe, Nobert: Studenten und "Judenfrage" im Deutschen Kaiserreich. Die Entstehung einer akademischen Trägerschicht des Antisemitismus. Göttingen 1988.
Michalski, Gabrielle: Der Antisemitismus im deutschen akademischen Leben in der Zeit nach dem I. Weltkrieg. Frankfurt am Main 1980.
Schönhagen, Benigna: Tübingen unterm Hakenkreuz. Eine Universitätsstadt in der Zeit des Nationalsozialismus. Stuttgart 1991.
Taschwer, Klaus: Hochburg des Antisemitismus. Der Niedergang der Universität Wien im 20. Jahrhundert. Wien 2015.
Waldbauer, Peter: Lexikon der antisemitischen Klischees. Antijüdische Vorurteile und ihre historische Entstehung. Murnau 2007.