Die sechs australischen Kolonien schlossen sich nach langem Bestreben zur australischen Föderation zusammen. Die ersten Überlegungen, eine Föderation zu gründen, waren bereits Anfang der zweiten Hälfte des 19. Jh. im Gange, wurden aber von New South Wales kritisch gesehen, da es als älteste Kolonie Sorge um die eigene Vormachtstellung hatte. Allerdings warf unter anderem die deutsche Besetzung Guineas die Sorge einer Invasion auf. Die sechs Kolonien schlossen sich nach einem Referendum schließlich am 01.01.1901 zusammen, da nicht nur die Sorge vor einer Invasion, sondern auch die Möglichkeit, strengere Immigrationsgesetzte gegen „nicht weiße“ Ausländer durchzusetzen, eine Motivation hierfür war. Somit ging unter anderem die Entscheidungsgewalt über Militär und Immigration an die Zentralregierung über. Folglich ist es auch nicht überraschend, dass unter den ersten verabschiedeten Gesetzen auch die „White Australia policy“ war, welche die Einwanderung nicht europäischer oder nordamerikanischer Ausländer faktisch stoppte. Die Regelung unterband allerdings nicht unmittelbar die Einwanderung, vielmehr musste ein Einbürgerungstest in einer europäischen Sprache abgelegt werden, welche im Falle von englisch sprechenden Kolonisten auch litauisch sein konnte (Vgl. https://www.britannica.com/event/White-Australia-Policy zuletzt geprüft: 14.10.2024, 15:42). Auch die Ureinwohner Australiens wurden von der Regierung vernachlässigt eine Staatsbürgerschaft wurde ihnen in der Verfassung verweigert (Ebd.). Australien rüstete zudem militärisch auf, da immer noch die Sorge einer japanischen Invasion bestand. Somit entstand eine eigene australische Navy und als schließlich der Erste Weltkrieg ausbrach sagte die australische Regierung der britischen Krone uneingeschränkte Unterstützung zu. Die Verluste, die die australischen und die in einem Corps, dem ANZAC, zusammengeschlossenen neuseeländischen Truppen erlitten, sind relativ zu der Einwohnerzahl der beiden Länder mit die höchsten des gesamten Kriegs. (Ebd.) Auch nach Ende des Krieges blieb Australien der Zuwanderung gegenüber skeptisch eingestellt. Wie alle anderen Länder durchlitt Australien in den 1930er Jahren eine Depression, von der vor allem der primäre Wirtschaftssektor betroffen war. Als sich die Fluchtbewegung europäischer Juden vor den Nationalsozialisten anbahnte, stellte der australische Abgeordnete T.W. White auf der Konferenz von Évian die australische Position klar dar (siehe https://holocaust.com.au/the-facts/australias-response-to-the-plight-of-european-jewry/ (zuletzt geprüft am 14.10)) Dementsprechend waren die Einreisebedingungen nach Australien strenger als beispielsweise die für die USA geltenden.
Im folgenden Abschnitt werden zwei Möglichkeiten behandelt, wie Immigranten nach
Australien kommen konnten. Eine Möglichkeit war eine private Flucht, wofür ausreichendes
Kapital vorhanden sein musste und meistens auch schon Beziehungen in das Zielland. Die
andere Möglichkeit war eine staatliche Deportation aus England. Viele der in Großbritannien
als Enemy Aliens internierten Deutschen wurden nach Australien verschifft. Den wohl
schlimmsten Fall einer solchen Überfahrt bildet die HMT Dunera, welche im Folgenden als
Beispiel betrachtet wird.
Nachdem die Wehrmacht große Landgewinne an der Westfront verzeichnete reevaluierte die
englische Regierung, aus Sorge vor einer deutschen Invasion der britischen Inseln, die in
Großbritannien lebenden Deutschen, wodurch zu den bisherigen 569 vorhandenen Kategorie
A Enemy Aliens, also zu internierende Personen, 12.000 weitere hinzukamen. Diese
Verhaftungswelle überfüllte die britischen Gefängnisse und Gefangenenlager, weshalb sich
die britische Regierung dazu entschied, die Gefangenen in die Commonwealthstaaten Kanada und Australien zu deportieren (Vgl.
https://www.nma.gov.au/definingmoments/resources/dunera-boys Zuletzt geprüft
15.10.2024). Die Arandora Star, welche vor der HMT Dunera aufbrach um ->Enemy Aliens
nach Kanada zu verschiffen, wurde von einem U-Boot torpediert und sank, wodurch 805
der 1300 Menschen an Bord starben. Die HMT Dunera stach am 02.07.1940 mit Kurs auf
Australien in See und transportierte über 2500 Gefangene, darunter Deutsche, Österreicher
und Italiener. Die Reise dauerte 57 Tage, währenddessen es für die Gefangenen nur zehn
Toiletten gab und sie nur für eine halbe Stunde täglich an Deck durften. Als die HMT Dunera
schließlich in Australien anlandete, waren die Schwierigkeiten für die Passagiere noch nicht
vorbei, da sie anschließend wieder in Gefangenenlager transportiert wurden.
Die andere, oben bereits erwähnte Möglichkeit nach Australien zu gelangen, war die Flucht,
welche dann allerdings aus privater Tasche oder von einer Hilfsorganisation finanziert werden
musste. Für die nach Australien einreisenden Flüchtlinge verlangte die australische Regierung
ein Landegeld wobei es sich um einen Geldbetrag handelte, der von den
Einwanderern nur vorgewiesen, aber nicht bezahlt werden musste. Hierdurch wollte die
Regierung verhindern, dass ihnen die Immigranten „auf der Tasche liegen würden“ (Fremde
Freiheit). Für die freiwillig nach Australien Ausgewanderten waren die -> Alltagserfahrungen
selbstredend auch ganz andere als die der Internierten. Für diese Immigranten stand an erster
Stelle die Suche nach Arbeit und einer dauerhaften Bleibe. Auch mussten sie mit den neuen
gesellschaftlichen Gegebenheiten klarkommen, so waren beispielsweise die australischen
Frauen wesentlich häufiger geschminkt und „herausgeputzt“ als es für die deutschen Frauen
üblich war, wodurch vor allem die Immigrantinnen auffallen konnten. Auch das fast schon
allgemeine Sporttreiben am Wochenende, wobei vor allem Tennis gespielt und geritten
wurde, war für die deutschen Zuwanderer zunächst ein ungewohnter Anblick. (Fremde
Freiheit S. 14).
Oft reisten einzelne Familienmitglieder oder Ehepaare voraus und versuchten, in Australien
ein Leben aufzubauen und anschließend, für ihre Familie bürgend, diese hinterher zu holen.Viele Familien wurden so zerrissen als der Krieg ausbrach und die in Europa
Zurückgebliebenen von den Nazis überrascht und oft ermordet. Natürlich standen die
Vorausgereisten mit ihren zurückgebliebenen Verwandten in regem Kontakt, soweit dieser
unter den gegeben Umständen möglich war. So versuchten manche in Australien neue
Unternehmen zu gründen. In den Briefen, die in dem Buch „Fremde Freiheit“ veröffentlicht
wurden, sind die Ratschläge der Vorausgereisten an die Familie nachzulesen, wie zum
Beispiel die mit nach Druck formulierte Empfehlung, dass wer könne Englisch lernen solle
(Fremde Freiheit S. 23) und Empfehlungen, welches Handwerk von Vorteil sein kann
(Fremde Freiheit S.25). Doch trotz dieser Schwierigkeiten schafften es viele Migranten, Fuß
zu fassen, während andere weiterreisten. Dies wird im Folgenden quantitativ betrachtet.
Die den Grafiken zugrunde liegenden Zahlen stammen aus der Tabelle von Lichman, diese
wiederum basieren auf dem Biographisches Handbuch der Deutschsprachigen Emigration
nach 1933 und sind nicht als Absolut zu betrachten. Die Gesamtanzahl der Wissenschaftler,
die während ihrer Flucht in Australien waren, sei es als Zwischenstopp oder als ihre finale
Station, waren laut den Daten der Tabelle 157 Personen. Auf Basis dieser Daten sind die
folgenden Grafiken erstellt. Der prozentuale Geschlechteranteil zeigt keine Überraschungen,
da sich die Statistiken nur auf Akademiker des frühen 20. Jh. bezieht, ist der Frauenanteil mit
3% bereits sehr gering. Allerdings ist auch hier gesondert anzumerken, dass der Frauenanteil
in der gesamten Liste bei neun Prozent liegt und Australien somit zwei Drittel unter dem
Durchschnittswert liegt.
Diese Abbildung zeigt den Anteil der
Emigranten, welche Australien als ihr
erstes Zielland wählten. Die Aufteilung
ist nicht abnormal, wenn man bedenkt,
dass eine Reise nach Australien eine
Weltreise ist, die nicht ohne eine
Versicherung angetreten werden kann.
Gesondert zu bemerken ist, dass fast
60% derer, die Australien oder
Neuseeland als erstes Ausreiseland
wählten, auch dort blieben.
Diese Grafik zeigt den Anteil der Remigration (Blau) nach deutschalnd und Österreich, aber auch den Anteil derer, die weitergzogen (Grau) und den Anteil derer, die in Australien oder Neuseeland eine neue Heimat fanden (Orange). Die Remigration habe nmit Abstand den geringsten Anteil.. Durch
diese Grafik wird erneut aufgezeigt, wie stark der Schaden war, der in den deutschen Universitäten enstand, da viele Gelehrte flohen und nie wieder zurückkamen. Betrachtet man den ANteil der Immigranten, so fällt auf, dass diejenigen, welche direkt nach Australien oder Neuseeland flohen, auch tendenziell dort blieben.
Dieses Balkendiagramm zeigt an, um das wievielte Zielland es sich bei den jeweiligen Immigranten handelt. Wie auch in der ersten Grafik erkenntlich sind Australien und Neuseeland tendenziell spätere Zielländer, das Hoch an der zweiten Stelle ist eine genaurer Betrachtung wert.
Diese Grafik zeigt, dass 76% aller
Migranten, die Australien als zweites
Zielland „wählten“, als das vorherige
Zielland Großbritannien haben,
wodurch sich also vermuten lässt,
dass eine nicht geringe Zahl dieser
Migranten als Enemy Aliens
deportiert wurden.
Karl Popper:
Karl Raimund Popper wurde am 28 Juli 1902 in Wien geboren. Er wurde getauft und in seiner
Kindheit von seinen Eltern protestantisch erzogen. Er studierte an der Universität in Wien für
nahezu zehn Jahre Mathematik, Physik und Psychologie. Sein erstes Buch veröffentlichte
Popper bereits, als er noch in Wien lebte. Als der Nationalsozialismus in Deutschland die
Macht erlangte und sie immer weiter festigte, entschied sich Popper dazu, Österreich zu
verlassen, da er befürchtete, der Nationalsozialismus werde sich weiter ausbreiten. 1937
wanderte er schließlich nach Neuseeland aus, wo er an der Canterbury University Philosophie
lehrte. Hier schrieb er auch eines seiner bekanntesten Bücher, „Die offene
Gesellschaft und ihre Feinde“ und „The Poverty of Historicism“. Nach seinem Aufenthalt in
Neuseeland bekam Popper eine Stelle an der London School of Economics, welche er vor
allem Friedrich von Hayek zu verdanken hatte. So zog er 1946 mit seiner Frau nach London.
Nach seiner Emeritierung wurde Karl Popper zum Ritter geschlagen, was nur eine von vielen
Würden war, die er empfing. Am Beispiel Poppers kann man gut den Schaden sehen, den der
nationalsozialistische Antisemitismus, nicht nur in Deutschland, sondern ganz Europa
anrichtete. Ein Mann wie Popper, der die Wissenschaftsphilosophie revolutionierte, wurde
sinnlos vertrieben und fand in der Fremde eine Heimat, die ihn eher willkommen hiess als
sein eigenes Land.
Georg Tintner:
Georg Tintner wurde am 22. Mai 1917 geboren und zeigte schon früh sein musikalisches
Talent; er wurde sogar als „Wunderkind“ (Wurz) wahrgenommen. Er sang in einem
Knabenchor und war Dirigent an der Wiener Volksoper, ein Beruf, den er durch den
Anschluss verlieren sollte. Nach einem erfolglosen Versuch, die NSDAP zu verklagen,
verließ er Wien und floh nach Jugoslawien, von wo aus er weiter nach Neuseeland reiste. Er
kam 1942 in Neuseeland an, wo er in Sicherheit war. Die Eltern eines ehemaligen Schülers
hatten ihn in ihre Obhut genommen. Allerdings war er durch die traumatischen Ereignisse der
Flucht und des davor Geschehenen stark beeinträchtigt und hörte auf zu komponieren. Er
wurde wieder Dirigent, diesmal bei der „Aukland Choral Society“. Schließlich zog er 1954
nach Australien, wo er zunächst bei der „National Opera“ und später bei der „Elizabethan
Opera“ arbeitete. Er arbeitete zudem an verschiedenen Stellen in Neuseeland, Australien und
auch in Südafrika und zog anschließend mit seiner Frau nach Kanada, wo er sich 1999
tragischerweise das Leben nahm. Tintners Biografie zeigt eine andere Seite des Exils; sie
berichtet von einem aufstrebenden jungen Mann, der aus seiner vertrauten Welt gerissen und
vertrieben wurde. Er ging nie wieder in sein Heimatland zurück, das ihn vergass.
Parathap, G.: Karl Raimund Popper (1902-1994) – The philosopher of critical rationalism and
rational moderation: An Obituary by G. Prathap. Current Science. Vol. 67. (1994). S 749-751.
Philips, Peter (Hrsg.): Georg Tintner. The Musical Times. Vol.140 (1999). S. 8-9.
Pilgrim, Volker Elis; Doris und Herberd Liffman(HRSG.): Fremde Dreiheit. Jüdische
Emigration nach Australien Briefe 1938-1940, Reinbeck bei Hamburg 1992.
Watkins, John: Obituary: Karl Popper (1902 - 1994). The British Journal fort he Philosophy
of Science. Vol.45 (1994). S.1089-1090.
Wilczynski, Klaus: Das Gefangenen Schiff. Berlin 2001.
Weblinks:
Britannica:
https://www.britannica.com/event/White-Australia-Policy (zuletzt geprüft:
14.10.2024, 15:42 Uhr).
https://www.britannica.com/place/Australia/A-major-shift-1830-60 (zuletzt geprüft:
15.10.2024, 16:26 Uhr).
https://www.britannica.com/topic/philosophy-of-science (zuletzt geprüft:
15.10.2024, 20:07 Uhr).
National Museum Australia: https://www.nma.gov.au/definingmoments/resources/duneraboys (zuletzt geprüft: 15.10.2024, 16:27 Uhr).
Matthias Wurz: https://www.theviennareview.at/archives/2007/georg-tintner-life-as-anellipse
(zuletzt geprüft: 15.10.2024, 16:30 Uhr).
https://news.univie.ac.at/uniview/forschung/detailansicht/artikel/exil-neuseeland/ (zuletzt
geprüft: 15.10.2024, 20:05 Uhr) https://dunera.de/ (zuletzt geprüft: 15.10.2024, 20:26 Uhr)