Polybios von Megalopolis. Staatsdenken zwischen griechischer Poliswelt und römischer Res Publica
Jonas Scherr (Hg., zusammen mit M. Gronau und S. Saracino)
ISBN 978-3-8487-5101-3
319 Seiten
€64,00 [D]
Der griechische Geschichtsschreiber Polybios, etwa 17 Jahre lang Geisel Roms, ging in seinen „Historien“ der Frage nach, „wie und mit welcher Art von Verfassung fast die gesamte Welt (…) unter die alleinige Herrschaft der Römer fiel“. Sein politologisches Verdienst besteht also darin, sein Werk unter das hermeneutische Primat des Verfassungsdenkens gestellt und so politische Theorie mit historischer Empirie zusammengeführt zu haben.
Der Sammelband versucht ein facettenreiches Bild dieses besonderen Staatsdenkers an der Schwelle zwischen griechischer polis-Welt und römischer res publica und seiner zentralen Konzepte und Narrative herauszuarbeiten und deren politische Rezeption bis in die High Theory des 21. Jahrhunderts darzulegen.
Mit Beiträgen von
Frank Daubner, Boris Dreyer, Martin Gronau, Lisa Hau, Felix K. Maier, Stefano Saracino, Philipp Scheibelreiter und Jonas Scherr.
Rezensionen:
Der Hellenismus. Der Hof und die Welt
Peter Scholz
ISBN 978-3-406-67911-7
352 Seiten
€16,95 [D]
In diesem Überblickswerk wird ein breites historisches Panorama entworfen, das von den makedonischen Königen über Alexander, die Diadochen und ihre Nachfolger bis zum Untergang der letzten Königin aus dem Geschlecht der Ptolemäer, Kleopatra VII. (30 v. Chr.), reicht. Der Band schildert das Leben an den prächtig ausgestatteten Höfen der hellenistischen Herrscher, an denen die intellektuelle und künstlerische Elite der damaligen Welt zusammenfand. Er berücksichtigt aber auch die nach wie vor starke Stellung der griechischen Städe, in deren öffentlichen Bauten und Denkmäler sich das nach wie vor stolze Bürgerbewußtsein im Laufe spiegelte.
Der Aufstieg der Makedonen zur Vormacht in Griechenland begann um die Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. und bildete die Voraussetzung für die Entstehung des Hellenismus – jener Epoche, in der die antike Welt eine grundlegende Umgestaltung erfuhr. Alexander der Große wurde zum Motor dieses Prozesses, als er seit 336 v. Chr. militärisch ein Gebiet von unerhörten Ausmaßen eroberte. Allerdings wird die historische Gestalt des bekannten Makedonenkönigs hier höchst kritisch betrachtet. Peter Scholz wendet sich gegen verschiedene neuere Deutungen der Forschung (so etwa Robin Lane Fox oder Alexander Demandt), die das Wirken Alexanders insgesamt eher positiv bewerten. Persönliches Ruhmstreben erscheint als wesentliche Triebfeder des Handelns von Alexander. Ein übergeordnetes strategisches oder politisches Konzept wird ihm weitgehend abgesprochen. Zwar zerfiel mit dessen frühen Tod (322 v. Chr.) das gewaltige Alexanderreich in mehrere Teilreiche, doch war seitdem die Hellenisierung der unterworfenen Völker und Gebiete in Gang gesetzt.
Die mangelnde politische Gestaltung des riesigen Reiches zog unmittelbar nach seinem Tod – scheinbar folgerichtig – den Zerfall desselben nach sich. Seine Nachfolger schlossen sich in der Legitimation ihrer Teilherrschaften an ihren verstorbenen Befehlshaber an. Sie erhoben sich selbst zu Königen und stellten sich fortan als siegreiche Eroberer und Wohltäter der griechischen Städte dar. Die nachfolgenden Herrschergenerationen sorgten für die weitere Verfestigung der Reiche mit dynastischer Nachfolge, waren allerdings durch die starke Zentriertheit aller Bindungen auf die Person des Königs vor allem damit beschäftigt, innere und äußere Konflikte zu überstehen. Mit Rom trat seit etwa 250 v. Chr. mehr und mehr ein neuer Akteur im machtpolitischen Ringen der hellenistischen Welt auf, der den Herrschern kompromißlos enge Grenzen setzte. Diese vermochten der neuen Großmacht im Westen militärisch wie diplomatisch nichts entgegenzusetzen, so daß die Königreiche nach und nach in den römischen Herrschaftsbereich integriert wurden.
Die historische Bedeutung der hellenistischen Epoche sieht Peter Scholz nicht in den machtpolitischen Auseinandersetzungen der Königsdynasten, sondern vielmehr auf kulturellem Gebiet. Die hellenistische Welt brachte nicht nur noch heute bekannte Kunstwerke wie den Pergamonaltar oder die Nike von Samothrake, alexandrinische Gelehrsamkeit oder philosophische Weisheit in vielfältiger Form hervor, sondern eröffnete durch Handels- und Entdeckungsreisen auch gänzlich neue Welten und Horizonte. Eine weitere zentrale Errungenschaft stellt ferner die allgemeine Verbreitung des Griechischen als Verkehrs- und Literatursprache im gesamten östlichen Mittelmeerraum dar. Vor allem diese Entwicklung war eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Ausbreitung des Christentums, die sich in der anschließenden Epoche der römischen Kaiserzeit vollzog.
[rezensiert in DAMALS 01/2016, von Michael Sommer.]